Ihr Lieben! Es ist keine Frage, dass es der Betroffene ist, dem es so richtig mies geht. Dass derjenige, der sich so richtig beklagen darf, Thomas ist.

Und zum Glück lebt Thomas nicht allein auf dieser Welt. Er hat wie die meisten von uns ein soziales Umfeld. Das ist Segen und Fluch zugleich. Segen, weil es Leute gibt, die ihn besuchen kommen, bei denen er sich anlehnen kann. Fluch, weil es auch Leute gibt, die sich Sorgen machen oder ihm trotz dieser Erkrankung Steine in den Weg legen.

All dieses führt zu einem “…and up and down ….”. Zumindest bei mir. Ich denke, er sieht es teilweise lockerer.

Da sind z.B. seine Eltern. Die wohnen nicht eben um die Ecke, sind auch schon älter und nicht mehr so fit. Sie wollen ihn gerne sehen. Das kann ich sehr gut verstehen, auch ihre Angst um ihn. Mein Krümelchen hatte einmal einen Unfall – einen recht schlimmen Unfall. Ich war putzmunter, organisierte und machte und tat, sah endlich mein Kind, kümmerte mich um sie, wusch sie ….. und brach auf der Heimfahrt zusammen. Zum Teil war es die Erleichterung, dass es ihr recht gut ging, zum anderen aber fiel meine Anspannung abrupt ab… Wie mag es da erst seinen Eltern gehen??? Natürlich planen wir, demnächst einmal hinzufahren, sobald es die finanzielle Lage und sein Befinden erlauben.

Da sind Freunde, die zu Besuch kommen. Sie muntern ihn auf und schenken auch mir eine gewisse Abwechslung. Ich lerne dadurch neue Leute kennen, erfahre so noch mehr über Thomas. Über deren Besuche freuen wir uns beide!!!! Also kommt alle gerne vorbei!! Danke, dass es euch alle gibt…

Da ist mein Krümelchen, das zurzeit wenig von seiner Mutter hat. Sie versteht es. Ich befürchte, sie verschont mich mit dem, was in ihrem Leben abgeht. Und die ich sehr vermisse, da auch sie nicht eben um die Ecke wohnt. Zum Glück hat sie einen sehr, sehr lieben und fürsorglichen Freund, von mir auch gerne “Bester Schwiegersohn der Welt” genannt. Danke, dass es euch beide gibt!

Da ist ein Vermieter, der – bei allem Verständnis – auf seine ihm zustehende Miete wartet. Die Wohnung müsste gekündigt werden. Allein schon aus finanziellen Gründen, denn sie wird einen Großteil des Krankengeldes fressen. Außerdem kommt Thomas, sobald er wieder gesund ist, kaum von dort dort weg, da der Bus nur 3 – 4 mal pro Tag fährt. Die Wohnung ist wunderschön, liegt aber – wie Krümelchen es so schön formuliert – am Arsch der Heide. Auf der anderen Seite kann ich Thomas verstehen, dass er sie noch nicht kündigen mag. Sie würde ihm eine Rückzugsmöglichkeit bieten und er hätte dann auch nicht das Gefühl (auch nicht das eventuelle), von mir abhängig zu sein.

Da ist eine Ex-Chefin, für die ich überhaupt kein Verständnis habe. Sie weigert sich, Thomas sein letztes Gehalt zu zahlen. Sie meldet sich einfach einfach nicht, drückt sich stillschweigend.

Da ist demnächst ein Anwalt. Dieser muss mit mit Informationen gefüttert werden, damit er eben jener Ex-Chefin einen entsprechenden Brief schreiben und für Thomas alle rechtlichen Schritte einleiten kann.

Und da bin ich, seine Weggefährtin. Die Frau an Thomas Seite, jemand der ihn sehr, sehr liebt. Die arbeiten geht, sich um Haushalt und Tiere kümmert. Ihm Tee kocht und Essen bereitet. Die als gelernte Krankenschwester sehr zu schlucken hatte, als die Diagnose kam. Natürlich ist heutzutage die Diagnose Krebs KEIN Todesurteil mehr. Aber sie ist mindestens ein gewaltiger Lebenseinschnitt. Und eben weil ich Krankenschwester bin, weiß ich, dass nichts mehr so sein wird wie vorher!

Als wir von der Gastroskopie kamen (Schlauch in Bauch) und schon die erste vorläufige Diagnose hatten, bin ich an meine alten Lehrbücher gegangen und habe mich schlau gemacht. Natürlich sind diese nicht mehr auf dem neuesten Stand – schließlich habe ich mein Staatsexamen zur Krankenschwester vor fast 20 Jahren gemacht. Aber was ich las, ließ mich doch schlucken.

Ich ging am nächsten Tag zu unserem Hausarzt, der mich nur ansah und mitfühlend sagte: “Ich weiß …”. Er schrieb mich für die Tage, die Thomas im Krankenhaus verbringen würde, krank. Als meine Mutter im Krankenhaus lag, als sie starb, als Krümelchen im Krankenhaus lag und später auch zu Hause noch eine zeitlang Pflege brauchte, war ich immer arbeiten. Aber diesmal nicht!! Denn ich wusste schon zu diesem Zeitpunkt, dass ich über einen langen Zeitraum viel Kraft benötigen werde. Auf dem Heimweg brach ich kurz vor unserer Haustür laut weinend zusammen. Es war mir egal, was die Leute sagen würden, denn das, was mir schon fast die Luft abschnitt, musste einfach raus. Nach einigen Minuten hatte ich mich wieder gefasst, ging die restlichen Schritte heim und stellte mich meiner – mir selbst gewählten – Aufgabe: Für Thomas da sein, egal was in Zukunft auf uns zukommen sollte!

Als erstes änderte ich meinen Beziehungsstatus von Single in Verheiratet. Wir sind nicht wirklich verheiratet, aber ich habe mir in dem Moment geschworen, in guten wie in schlechten Zeiten an seiner Seite zu bleiben. In Gesundheit und in Krankheit, in reichen und in armen Zeiten…

Thomas musste für weitere Untersuchungen ins Krankenhaus und da schwante mir schon Einiges. Er ist Koch und ohnehin wählerisch bei der Wahl seines Essens. Wie würde er dann erst aufs Krankenhausessen reagieren??? Natürlich so, wie ich es mir schon gedacht hatte 😀 …Also habe ich ihm Essen gekocht und es ihm dann ins Krankenhaus gebracht. Alle Ärzte und Schwestern hatten vollstes Verständnis dafür! 😀

Glücklicher Weise hatte ich durch meine Krankschreibung die Zeit dafür 😀

Dann kam die endgültige Diagnose. Wieder schossen mir die Tränen in die Augen, aber auch mein Kampfwille war erwacht!! Sooo leicht lasse ich mir den Thomas nicht nehmen – schon gar nicht von so einem dusseligen Krebs!!! Also Ärmel hochgekrempelt und los geht’s! Gut, die Ärmel krempelte ich einige Tage später wieder runter, allerdings nur, weil Petrus meinte, uns mit einem verspäteten Winter beglücken zu müssen. Die “inneren” Ärmel sind weiterhin hochgekrempelt!!! 😉

Lasst mich euch an dieser Stelle von meinen “inneren Bildern” erzählen. Nach der Gastroskopie (Schlauch in Bauch) war das erste Bild, das sich mir einprägte, ein abgemagerter Thomas im Krankenbett in meinem Wohnzimmer. Dort lag ein Mann mit Blasenkatheter, Infusion, Magenschlauch, kaum noch Herr seiner Sinne, unerträgliche Schmerzen erleidend. Ist es da ein Wunder, dass ich am nächsten Tag heulend vor der Haustür zusammenbrach????

Also zwang ich mich dazu, ein positives Bild zu visualisieren! Aber was dann kam:

Ich stand in der Küche und fühlte mit einem Mal die Gegenwart eines kleinen Mädchens, ca. 3-4 Jahre alt. Sie hielt sich an meinem Hosen- /Rockzipfel fest und wollte etwas von mir. Aus dem Küchenfenster sah ich in einen sommerlichen Garten. Der Sonnenschirm war aufgestellt, der Grill schon zum Durchglühen angezündet… Und ich sah einen älteren, gesunden Thomas. Er tobte gerade mit einem kleinen Jungen, ca. 7-8 Jahre alt, herum, machte Faxen und schnitt Grimassen, um den Jungen zum Lachen zu bringen. Und plötzlich wusste ich, dass diese beiden Kinder meine zukünftigen Enkel sind. Wir warteten gerade darauf, dass ihre Eltern (Krümelchen und der Beste Schwiegersohn der Welt) gleich vom Shoppen zurückkommen und wir dann alle gemeinsam grillen werden …. Ein sehr, sehr schönes und beruhigendes Gefühl.

Als der Arzt im Krankenhaus nun mit der endgültigen Diagnose kam, wollte ich genau für dieses Bild kämpfen und natürlich auch um Thomas Leben!!!

Und dann sah ich Thomas auf einem Berg, an einem Meer – noch nicht so alt wie in dem “Küchenbild” – ich wusste, er geht den Jakobsweg!! Und er geht ihn gesund!!!

An diesen beiden Bildern halte ich mich fest, wenn mir zuweilen die Kräfte schwinden. Wenn ihm von der Chemo übel ist, wenn er so viel schläft, wenn er im Mund einen chemischen Geschmack hat, wenn mein innerer “Scanner” schaut, wie es im geht, wenn ich mir verbotenerweise doch mal Sorgen mache… Und wenn er schnarcht !!! 😉 Etwas, das er vorher nie tat. Dafür aber jetzt inbrünstig 😀

Er “schimpft” mit mir, wenn ich darüber in unserer Gruppe schreibe. Aber auch ich muss mal Dampf ablassen, damit ich meine Kräfte behalte. Besonders, wenn es Momente gibt, in denen wir aneinander vorbeireden / handeln. Zum Beispiel als er mir immer wieder sagte, ich müsse nicht die ganze Zeit bei ihm bleiben, solange die Chemo läuft. Also bin ich irgendwann gegangen, weil ICH dachte, er wolle allein sein. ER wiederum machte sich Sorgen um mich, weil ich einen Hexenschuss habe/hatte und wollte eben nicht, dass ich mich quäle. Dagegen war es für mich eine Qual, zuhause auf ihn warten zu müssen. 😀 😀 Zum Glück dauern solche Missverständnisse nie lange an. Wir lachen mehr miteinander, als dass wir uns missverstehen. Wir sind beide positiv eingestellt, machen zu gerne Späße miteinander und lieben beide das Leben und seine schönen Seiten.

Nein, ich lasse den Kopf nicht hängen. Ich weiß, dass alles wieder gut und Thomas wieder gesund wird!! Er wird zu den 20-30 Leuten von 100 gehören, die diese Krebserkrankung überleben!!!