Die Wochen sind vergangen wie im Fluge. Die schlimme OP liegt nun viele Wochen hinter mir, der Krebs ist komplett rausgeschnitten, trotzdem bekomme ich die abschließende Chemo. Am nächsten Donnerstag ist die vierte und letze, dann bin ich mit der Scheiße durch.

Die abschließende Chemo ist etwas sanfter als der erste Block, den ich bekam. Damals war ich eigentlich nur müde und schlapp, diesmal ist es anders und nicht so leicht zu ertragen. Seit über acht Wochen kotze ich so ziemlich täglich und das wird begleitet von Durchfall und extremen Gliederschmerzen. Es ist, als würde Blei durch meine Adern fließen. Dazu gesellt sich auch ein nervendes Hautjucken, hauptsächlich an den Beinen, aber auch der Rücken ist betroffen. Appetit habe ich auch kaum. Essen ist echt eine Herausforderung geworden: bleibt es drinnen oder kotze ich es gleich wieder aus? Manchmal geht es gut, dann wieder geht es gar nicht.

So ist das jeden Tag, erst geht es mir gut, ne halbe Stunde später voll schlecht. Dann wieder flüssiger Durchfall – Kreislauf klappt zusammen. Danach geht es mir wieder besser. So ein bis zwei Stunden, denn dann meldet sich wieder ein Brechreiz, den ich dann nachgebe, indem ich mich über die Kloschüssel hänge. Emotionale totale Erschöpfung, denn wenn man sich so komisch fühlt, mag man sich gar nicht. Irgendwie liege ich nur da und kämpfe von morgens bis abends mit meinem Wohlfühlgefühl.

Leider merke ich immer mehr, ich fühle mich nicht wohl. Alles ist nur noch elendiglich und völlig anstrengend und streckenweise verliere ich den Mut und auch die Zuversicht, dass es mir irgendwann mal wieder besser geht. Es ist jetzt nicht so, das ich nicht mehr leben mag oder so ähnlich, es ist eher so, dass Mensch sich in so einem Zustand einfach nicht wirklich froh und glücklich fühlt. Das geht mir  auch so, wenn ich mich selber nackt vor dem Spiegel sehe. Ich sehe dann die Folgen der OP, immerzu erinnert mich die lange Narbe an der rechten Seite – bei der immerhin beachtlichen Länge von 24 cm -an die Tortur, die ich live durchleben durfte. Die anderen 7 weiteren kleineren Narben, die sich über den Rest meine Körpers verteilen, tragen ihren Teil dazu bei. Ich sehe meine Augen und sehe die Chemo. Ich sehe meinen Körper und sehe die OP.
Dazu kommen eben noch emotionale Dinge, wie der Verlust des Arbeitsplatzes, das Ausbleiben des Gehaltes, der Kampf mit meinem EX Chef, die Schwierigkeiten und die Herzlosigkeit der Behörden, der Kampf mit der Bürokratie, Geldsorgen, das nicht vorhandene Wissen von “WIE GEHT ES JETZT WEITER..?“

Das sind alles Dinge, die ich von mir eigentlich gar nicht kenne, und ich merke dann sehr stark, das die OP mich sehr verändert hat und ich weiß nicht so recht, ob zum guten oder zum schlechten. Ich weiß auch nicht, gehe es mir ausschließlich wegen der Chemo so schlecht, oder ist es, weil ich jetzt keine komplette Speiseröhre und einen hochgezogenen Magen habe. Könnte auch sein, das es mir so schlecht geht, weil ich ja immerhin auch noch die starken Schmerzmittel schlucke und mein Herz ist ja auch etwas angegriffen durch die OP.
Ja –  so vergehen Tag für Tag und Woche für Woche und ich bin erschrocken, dass ich jetzt schon seit Mitte Dezember letzten Jahres krank bin. So lange schon. Noch nie in meinem Leben war ich so lange krank! Ich erwische mich dabei, wie ich zu nichts weiter tauge als zum Leiden und das macht in einem solchem Moment nicht glücklich, ausserdem schlafe ich immer ein.

Ich weiß, es klingt alles sehr dramatisch und meine Freunde kennen mich so auch gar nicht. Thomas Wee, der war doch immer so ausgeglichen und cool, den haute nichts um, egal welcher Schicksalsschlag, Thomas ist da immer heil rausgekommen und war immer glücklich und zufrieden mit seinem Leben. Eine starke Persönlichkeit, eine Frohnatur, stark in seinem Glauben an die Liebe und das immer alles gut wird . Der redet nicht nur, er hat sein Ding immer durchgezogen und es auch gelebt, was er redet.
All das soll verschwunden sein denkt der Leser sich jetzt sicherlich, wenn er aufmerksam die ersten Zeilen gelesen hat. Liebe Freunde, ich kann euch beruhigen, an dem ist es nicht. Natürlich fühle ich es so, wenn es mir schlecht geht, dann leidet der Mensch halt – und ehrlich gesagt, habe ich schwerstes Leid durchlebt auf der Intensivstation.

Es ist die furchtbarste Zeit, die ich in meinem Leben durchgemacht habe, ohne jeden Zweifel. Es ist auch ein sehr schreckliches Gefühl, die Nachricht zu bekommen, das du an Krebs erkrankt bist. Es ist auch seltsam zu wissen, das dich ein Professor aufgeschnitten, dir die Rippen auseinandergezogen, das böse Geschwür herausgeschnitten und dir dann den Magen hochgezogen und das Ganze vernäht hat. An der Stelle Danke schön  an den Professor, der mich operiert hat. Er hat sehr gute Arbeit geleistet und seinen Job sehr gut getan.
All diese Ereignisse sind natürlich nicht so schöne, aber das ist nun mal das Fundament meines neuen Lebens. Auf der Intensivstation habe ich sehr viel meiner Energie verbraucht, es ist Treibstoff, der mir heute noch etwas fehlt. Ich bin sozusagen alle, nur weiß ich, das ich im Moment zu erschöpft bin und auch mit anderen Sachen (kotzen und leiden) beschäftigt bin. Es fehlt mir gerade der Zugang zur Quelle meiner Kraft. Es ist ja auch nicht so , dass es mir nur elend und schlecht geht, es gibt ja auch gute Momente und in denen spüre ich dann auch Zuversicht und Hoffnung und auch den Glauben, dass da noch viele schöne Sachen auf mich warten. Und das ist der Moment, in dem ich erkenne, das ich lebe, liebe und immer noch sehr dankbar und glücklich bin.

Immerhin wäre ich fast gestorben.

Ich brauche nur noch etwas Zeit  – und ich werde wieder an diesem Leben teilnehmen, stärker und bewusster als jemals zuvor , denn unser Leben – egal wie schlecht und hart es sein kann –  ist verdammt noch mal schön …..
Seid dankbar für das was ihr habt und bleibt gesund.
Ich weiß, das es immer weiter geht – mit mir oder ohne mich – das ist egal, das Leben ist unbeständig, und von einem Moment auf dem anderen kann alles anders sein und völlig aus den Fugen geraten. Ereignisse können einen verändern, zum Positiven wie zum Negativen.

Ich habe durch meine Krankheit eines gelernt: Niemals aufgeben, denn es geht immer weiter.

Nun habe ich noch eine Chemobehandlung vor mir, das heißt für mich, dass es noch ungefähr sechs Wochen schlimm sein wird, mit guten Momenten natürlich. Aber es dauert halt noch bisschen, bis ich wieder fit bin. Es ist aber jetzt echt absehbar, bis ich wieder am Leben teilnehmen kann. Nach der Chemo gehe ich dann auf die Reha, in der Hoffnung, dort wieder vollständig zu Kräften zu kommen.

Danach, ich weiß es nicht, wahrscheinlich aber Berlin….